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Montag, 22. März 2010

"Unser" Deal mit SPIEGEL Online

Dieses Posting bezieht sich auf den SPIEGEL Online (im folgenden nur noch SPON genannt) Artikel "Warum online Werbung wichtig fürs Web ist" von Frank Patalong, veröffentlicht am 22.03. 2010. Ich habe mit den Ansichten des Autors zu diesem Thema so meine Probleme, was sowohl den Inhalt, als auch die Methode angeht. Relevante Links finden sich am Ende dieses Posts. Um den vollständigen Eintrag zu lesen, bitte unter diesem Abschnitt auf "weitere Informationen" klicken.



Im großen und ganzen ist die Kernaussage des Artikels, dass böse Internetsurfer, welche einen Werbeblocker in ihrem Browser benutzen, den Niedergang der deutschen Zeitungs-/Magazinlandschaft zu verantworten haben, mal ein wenig polemisch ausgedrückt.
Ein Werbeblocker ist für mich selbst seit Jahren ein integraler Bestandteil meines alltäglichen Surferlebens, und ich möchte wahrlich nicht mehr ohne im Netz unterwegs sein. Zum einen, weil es mir einen besseren Überblick über Websites verschafft, zum anderen, weil ich dann nicht permament von diesem Klickibunti-Mist abgelenkt werde, der immer aufdringlicher in blinkender oder animierter Form mit dem Inhalt der Seite um meine Aufmerksamkeit konkurriert. Davon abgesehn denke ich, dass es den ein oder anderen Surfer auch vor einem unbedachten Klick auf allzu "gut gemachte" Werbung abhält, die einem zb Malware unterjubeln möchte, um nur ein Beispiel zu nennen. Technische Aspekte, wie das schnellere Laden von Internetseiten mit Werbeblocker, gehören natürlich auch dazu.

Vorteile eines Werbeblockers also sind:

  •  besserer Überblick im Netz
  •  Sicherheitsgewinn
  •  höhere Konzentration
  •  beschleunigt das Laden einer Website

Abgesehn davon sind Werbeblocker ja erst populär geworden, weil Netzwerbung so furchtbar aufdringlich geworden ist! Ein Werbebanner hier und da, oder gar eine Textanzeige stört ja kaum jemanden. Aber moderne Netzwerbung blinkt wie blöde, zeigt mir irgendwelche Animationen oder Filmchen, blendet den Inhalt den ich sehen möchte aus und pappt sich davor oder nervt mich mit Geräuschen oder Musik.

Nunmal auf SPON bezogen, was stört mich dort an online Werbung?

  •  das Laden der Seite dauert länger, weil sich auf SPON gerne sehr großflächige, animierte Werbungen finden
  •  Das Hoch- und Runterscrollen der Seite(n) wird erheblich verlangsamt, vermutlich da oft Flash Animationen für die Werbung verwendet werden
  •  Gerade diese Flash Animationen laufen in einer Endlosschleife, durch die wechselnden Bilder und Bewegungen lenken sie permanent vom Text ab
  •  SPON recycled durchaus öfter mal SPIEGEL Artikel, und hey, waren die nicht im Heft schon mit Werbung versehen? Mit der angenehmen Form? Die man wegblättern, also de facto "abschalten" kann?
  •  In erster Linie wird SPON als Nachrichtenportal wahrgenommen (man möge mich korrigieren, wenn dem nicht so sein sollte), und davon gibt es eine sehr große Anzahl, auf denen ich mir quasi dieselben News holen kann, wie auf SPON (dazu später mehr).

Aber gehen wir doch mal konkret auf den Artikel ein.
Laut Frank Patalong, ist der Werbeanteil in Tageszeitungen in Deutschland vergangenes Jahr um 13% geschrumpft, in den USA sogar um 26%. Das ist zunächst mal kein Wunder, weil viele Leser ihre Nachrichten inzwischen lieber aus anderen Quellen beziehen, allen voran dem Internet. Was genau mir die dramatische Zahl des amerikanischen Werbemarktes sagen will, kann ich allerdings nicht nachvollziehen, ich halte es doch für sehr fragwürdig, dass beide Märkte mal gerade so eins zu eins vergleichbar sind. Gründe dafür sind zum Beispiel eine vollkommen andere Demographie, Bevölkerungsgröße und vermutlich eine sehr hohe Differenz in der Anzahl der täglich erscheinenden Zeitungen (wobei ja auch mal angemerkt werden muss, dass der SPIEGEL ein Wochenmagazin ist, und keine Tageszeitung).

Was dem zugrunde liegt ist laut SPON, dass "der Werbekuchen schrumpft, obwohl die Reichweite steigt". Hmm, denk ich mir, ich dachte sowas verhandelt man? Wenn ich schlagartig mehr Konsumenten mit Werbung erreichen kann, wieso lasse ich dann einen Verfall des Marktes zu? Sollte mir das eigentlich nicht ein Plus bescheren? Ist das nicht ein sehr positives Verhandlungsargument?
Aber der Artikel erleuchtet auch hier: so fällt der Löwenanteil der Werbeeinahmen nicht den Medien, sondern Werbung tragenden Dienstleistern zu. So staubt Google zB angeblich 42% der weltweiten online Werbeerlöse im Alleingang ab, insgesamt fallen laut SPON 53% dieser Einnahmen an Suchmaschinen. Hossa, denkt man sich!
Kann es vielleicht sein, dass da was aus der Proportion geraten ist? Warum wird statt dem verkorksten System, welches dieses krasse Verteilungsproblem verursacht, den Surfern ans Bein gepinkelt?

Ein weiteres vorgebrachtes Argument ist, dass durch die "Finanzkrise" der Medien, immer mehr fest angestellten Journalisten gekündigt wird, und diese dann in freie Anstellungsmodi entlassen werden. Der Autor spart sich nicht ein aufwühlendes "oft prekäre Verhältnisse". Aber, wieder in den USA. In Deutschland scheint es zu so etwas anscheinend keine Zahlen zu geben. Aus eigener Erfahrung kann ich berichten, dass auch hierzulande viele "Feste" zu "Freien" werden, allerdings schon seit gut einer Dekade und da war das Werbeproblem im Netz bei Weitem nicht so groß, wie es das heute angeblich ist. Meist hängt es doch nur mit schnöder Gewinnoptimierung zusammen, wie in so ziemlich jedem anderen Unternehmen auch. Dass daran tatsächlich die Online Werbung, bzw die Ignoranz der User für jene, Schuld dran sein sollen, habe ich heute zum ersten mal gehört.
Nun erkennt Herr Patalong im Laufe des Artikels, dass der Hauptgrund der Misere in der Werbewirtschaft zu suchen ist. Leider fängt er grade dann an, mit sehr zweifelhaften Zahlen und zum Teil wilden Vermutungen um sich zu werfen. So ignorieren angeblich inzwischen "5-25% aller Online Mediennutzer" je nach Angebot die vorhandene Werbung. Das ist zwar schön dramatisch, trifft aber keine sonderlich verwertbare Aussage. Ein paar Belege wären wirklich schön, der Zahlenraum ist einfach zu ungreifbar. Least und worst case scenarios geben leider nur Extreme wieder, bilden aber normalerweise nicht die Realität ab.

Noch so eine inhaltsfreie Angabe gefällig? Okay, laut dem Artikel benutzen inzwischen 50% aller deutschen einen PopUp Blocker. Oh weinender Jesus am Kreuz, benutzen diese Unmenschen etwa beispielsweise Firefox oder einen aktuelleren Internet Explorer? Einen von den Browsern, die PopUp Blocker aus Sicherheitsgründen direkt mit in ihrem eigenen Code mitbringen, ganz ohne separaten Werbeblocker?
Immerhin gibt der Autor zu, dass es keine belastbaren Zahlen gibt, die eine brauchbare Aussage darüber treffen, wieviele User inzwischen einen Werbeblocker benutzen, genauso wie er hinterherschiebt, das reine PopUps in der Werbung heutzutage nur noch eine eher untergeordnete Rolle spielen, im Zitat sieht dass so aus:

Belastbare Zahlen über Werbeblocker gibt es nicht, und anscheinend auch keinen Betreiber, der bereit wäre, seine Blocker-Statistiken öffentlich zu machen. Auch die diversen Branchenverbände haben keine gesicherten Erkenntnisse. Paul Mudter, Vorsitzender des Online-Vermarkterkreis (OVK) im Bundesverband Digitale Wirtschaft (BVDW): "Wir gehen davon aus, dass rund 50 Prozent der deutschen Internetnutzer einen Pop-up-Blocker aktiviert haben. Allerdings spielen Pop-ups im Bereich der Online-Werbung nur noch eine untergeordnete Rolle. Komplette Werbeblocker kommen dagegen deutlich seltener zum Einsatz."

So richtig ärgerlich wird's dann in dem Absatz darunter, wo hinterfragt wird, was "deutlich seltener" bedeutet. Die Antwort besteht dann daraus, dass man mal kräftig ins Blaue reinrät, da es ja wie gesagt keine belastbaren Zahlen gibt. Zitat:

Doch wie "deutlich seltener" sind Werbeblocker? Wir wagen einmal eine Schätzung: Kaum ein Online-Angebot in Deutschland dürfte unter zehn Prozent Ausfallquote durch Werbeblocker liegen.

Das ist aber eine bedrohliche Schätzung! Und so vollkommen frei von Information! Ich wusste gar nicht, ob ich zuerst in Schockstarre verfallen oder lieber direkt anfangen zu Weinen sollte.
Was ist das eigentlich? Nennt man sowas Berichterstattung? Als Kommentar war der Artikel jedenfalls nicht gekennzeichnet.

Auf Seite 2 des Artikels werden Werbeblocker dann auch noch als "schwer zu beziffernder Streuverlust" bezeichnet, ich denke dieses Statement spricht für sich selbst.

Interessanterweise behauptet der Autor, dass ich als Leser einen nunmehr 16 jährigen Deal mit SPON habe, der da lauten soll "Wir liefern Ihnen kostenfrei Inhalte, und Sie sehen sich dafür im Umfeld Werbung an."
Komisch, ich dachte immer, dass ein Deal zwei Geschäftspartner voraussetzt, die im Einverständnis miteinander zum Abschluss kommen. Ich kann mich nun wirklich nicht erinnern, das ich, oder meinetwegen "wir" Internetnutzer gefragt worden wären, ob wir dieses Angebot haben wollen. Ich für meinen Teil kann nicht behaupten, jemals mit SPON einen Deal abgeschlossen zu haben. Abgesehn davon, wenn Werbung wirklich unaufdringlich ist, und sich zb am Seitenrand findet, dann kann ich sehr gut damit leben. Es sind die Animationen, das Geblinke und ggf. der Sound und teilweise die schiere Größe der Fläche auf der sie prangen, die mich wirklich furchtbar nerven und aktiv und mit voller Absicht meine Aufmerksamkeit stören und fragmentieren.

Noch eine andere Idee... wenn ich das richtig verstanden habe, sollen sich diese Internetseiten finanziell selbst tragen können, richtig? Wenn das jetzt schon a) eigentlich nicht oder b) nur so grade funktioniert, warum muss man dann solche Angebote immer weiter aufblasen, und somit weitere Kostenfaktoren schaffen? Die erkenntnisfreie Wohlfühlecke einestages ist so ein Beispiel, oder auch die Tatsache, dass man sich online ein riesiges Videoarchiv unterhält, oder eigene Videonachrichten produziert, oder mit SPIEGEL Wissen endlich noch ein heißersehntes Onlinelexikon baut. Müsst ihr in jedem sozialen Netzwerk Fans sammeln? Es dürfte euch schwerfallen, in Deutschland jemanden zu finden, der nicht weiss was DER SPIEGEL ist. Warum das alles? Zählt das auch zu unserem 16 Jahre alten Deal?
Diese Fragen muss man sich gefallen lassen, weil durch all diese Dinge weitere Kosten anfallen, nicht wenige, möchte ich sogar meinen. Dazu kommt der große Zeitaufwand, mit dem all das verwaltet und administriert werden muss. Vielleicht wäre SPON ja schlagartig rentabel, wenn man sich auf die Kernidee besinnt?

Dem Vorschlag, aus der Seite ein Bezahlangebot zu machen, halte ich durchaus für vernünftig. Ich würde gerne sehen, welche von den Online Angeboten der Tageszeitungen und Magazinen dann noch überleben, Konkurrenz soll ja das Geschäft beleben. Wobei ich allerdings davon ausgehen würde, dass es echte Konkurrenz nicht geben wird, ich denke, da werden sich Verlage dann untereinander absprechen, damit man sich nicht gegenseitig allzu arg das Wasser abgräbt.
Natürlich würde ich mich auch gerne eines besseren belehren lassen.

Allerdings gibt's doch auch alternative Finanzierungsmodelle, wie zb das der tageszeitung (taz).
Im Wiki Artikel zur taz wird das ausführlich erklärt.
Besonders hat mir im taz-Wiki Artikel der Satz gefallen: "Die taz vertraut darauf, dass die Abonnenten den Wert ihrer Zeitung kennen." Das ist doch mal eine Aussage, warum sollte das nicht auch für Onlineangebote gelten? Zumal die taz dort auch ihren eigenen Weg verfolgt.

Oder wie wäre es mit einem freiwilligen Bezahlmodell, so eine Art Spendebutton? Bei den zigtausend Klicks die SPON jeden Tag hat, werden sich garantiert ein paar Mitleidige finden, die dann nach eigenem Ermessen und Geldbeutel einen Obulus entrichten. Dass das funktionieren kann, haben schon eine Reihe Projekte im Web gezeigt.

Auch stimme ich vollkommen mit guenter80469 überein, der auf SPON selbst zu dem Artikel kommentierte, dass die ganzen online Ableger der deutschen Zeitungen/Magazine durchaus entbehrlich sind, weil unsere öffentlich rechtlichen Medien uns auch ohne Werbeblocker mit eben diesen Nachrichten versorgen, die zb SPON anbietet. Und die GEZ hat man ja schon gezahlt, zumal die GEZ selbst behauptet, das bereits 96% aller Rundfunkteilnehmer ihre Geräte angemeldet haben.
Über Sinn und Unsinn der GEZ, bzw. der öffentlich-rechtlichen Rundfunkgebühren lässt sich natürlich auch trefflich debattieren, aber das gehört nicht in diesen Eintrag.

Naja, vielleicht liegts ja auch am Alter unseres "Deals", mit 16 stecken die meisten ja schwer in der Pubertät und rebellieren gerne ;-)
Ich und mein schwer zu beziffernder Streuverlust, wir werden jedenfalls noch eine ganze Weile zusammenhalten. Genauso, wie ich weiterhin in meinem Freundes- und Bekanntenkreis proaktiv die Nutzung von Werbeblockern propagieren werde, wenn ich sie nicht direkt selbst installiere. Und nur zur Info, auch ich benutze Firefox, mit dem furchtbar praktischen Add-On AdBlock Plus.
Heutzutage im Netz ohne Werbeblocker zu surfen, lässt sich für mich in einem Wort zusammenfassen: Augenkrebs.

Euer Humblebee.

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Noch ein paar Fakten und Links:

DER SPIEGEL, Ausgabe Nr. 11 / 15.03.2010 (Ladenpreis 3,80€) hatte auf insgesamt 159 Seiten 52 Werbeanzeigen.
Von diesen 52 Anzeigen waren 30 ganzseitig, zwei doppelseitig und weitere zwei waren größer als eine Seite. Der Rest der Anzeigen war in verschienden Größen neben den Artikeln untergebracht. Von 159 Seiten des Magazins insgesamt, waren also 36 Seiten reine Werbung, ohne die restlichen Anzeigen mit einzurechnen, da sie in unterschiedlicher Größe im Artikel untergebracht waren. Wenn so das Bezahlangebot im Internet aussehen soll, dann gute Nacht.

Linkliste:

SPIEGEL ONLINE - Warum online Werbung wichtig fürs Web ist
http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,683579,00.html

einestages
http://einestages.spiegel.de/page/Home.html

Wikipedia Artikel über die taz / die tageszeitung
http://de.wikipedia.org/wiki/Die_tageszeitung

AdBlock Plus, Add-on für Firefox, Kategorie Werbefilter
https://addons.mozilla.org/de/firefox/addon/1865

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